Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
23.09.2016


Revision 3.0
Martin Weiler Teil 5

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Ausbau des Zeitsystem, Bau der Fotodokumentation,
Materialbeschaffung (Zeitraum  ca. 1963-1970)

Diese selbstgebauten Uhrenanlagen  waren  bis weit in die 80-Jahre in  Betrieb.
Die  Ablösung erfolgte dann schrittweise durch eine ähnliche Konstruktion, des dann vorhandenen " RATIONALISIERUNGSMITTELBAUES ", wobei das Prinzip der zentralen Aufbereitung der Zeitangabe und die synchrone Informationsübertragung zu den Tochtergeräten beibehalten wurde.

Für Fachleute :
Die komplette Platine der Armbanduhr wurde entnommen und an die nach aussen führenden Kontakte im 0.5mm Raster löteten wir 0.1mm dicke Drähte an.
Eine Aufgabe für ganz ruhige Hände. Da kein Feinstlötkolben für diese Arbeit vorhanden war, nahmen wir den kleinsten verfügbaren und umwickelten dessen Spitze mit einem 2mm starken Kupferdraht, den wir am Ende abschrägten und verzinnten.
Da die Ausgangsspannung nur etwa 3 Volt betrug und auf keine Fall belastet werden durfte, habe ich MOS-Schaltkreise als Vorverstärker  eingesetzt.
Diese steuerten dann Silizium-Transistoren an und diese wiederum die entsprechenden Schaltrelais. Die Stromversorgung der Uhrenplatine erfolgte durch eine Knopfzelle, die durch eine externe Spannung mit einem minimalen Dauerladestrom am Leben erhalten wurde und bei eventuellen Netzausfällen eine unterbrechungsfreie Uhrzeitangabe garantierte.

Das Innenleben der Tochtergeräte bestand aus den 6 Ziffernanzeigeröhren und einer Spannungsverdreifacherschaltung.
Letztere erzeugte aus einer Wechselspannung von 42 Volt ( Übertragung im gleichen Kabelweg ), etwa 120 Volt Gleichspannung. Diese lag über Vorwiderstände an den Anoden der Röhren. An die Katoden der Röhren wurden nun die jeweiligen Steuerspannung von minus 60 Volt angelegt.
Damit erhielt die Röhre ihre volle Betriebspannung  von 180 Volt und die entsprechende Ziffer leuchtete auf.

Weiterhin wurden damit die Gesetzlichkeiten in Bezug auf die Verwendung von Kleinspannungen eingehalten und zum anderen konnte man mit der Steuerspannung von 60 Volt, beliebige andere technische Zusatzgeräte bedienen.
Nachteilig war nur der hohe Aufwand an Kabeladern ( 30 Stück ), aber das konnte auf Grund der guten Infrastruktur, der im Ausbau befindlichen Flughäfen, problemlos gelöst werden.

Wie konnten nun diese umfangreichen Aufgaben ohne die Mitwirkung von Fremdfirmen  und der bekannten Knappheit an Bauelementen gelöst werden.

Zum einen stand in den Anfangsjahren ein relativ gut sortiertes Nachrichtenlager mit verschrotteten Geräten, aus der Zeit des 2.Weltkriegs, zur Verfügung. In der Folgezeit wurden geringe Mengen Material planmässig von den Herstellerfirmen geliefert. Engpässe wurden zumeist durch persönliche Vorsprachen bei den jeweiligen kaufmännischen Angestellten überbrückt. Weiterhin gab es im Raum Sachsen, den Konsum "Wermsdorf-Elektronik ". Hier wurde von einem engagierten Kaufmann und seinen Mitarbeiterinnen vieles Material aus Überplanbeständen und beanstandeten Lieferungen, eingekauft und der Allgemeinheit angeboten.

Ein Paradies für Bastler. Hier haben wir dann auch grössere Mengen an Bauelementen direkt eingekauft und eingelagert.

Nebenbei erwarben wir natürlich für unseren privaten Haushalt, die begehrten Rabattmarken, die am Jahresende beim Konsum abgerechnet wurden und die Haushaltskasse aufbesserten. Die Einkaufsfahrten brachten somit für den Betrieb, als auch für uns erhebliche Vorteile.

Zum anderen nutzten wir die jährlich stattfindenden Verkaufsmessen für Überplanbestände. Hier haben Betriebe aus fast allen Gebieten, Materialien angeboten, die aus Produktionsumstellungen oder Fehlplanungen übrig blieben.
Waren dringend benötigte Materialien aber absolut nicht durch unser persönliches Arrangement beschaffbar, so wurde dieses auf der Leitungsebene der Direktoren und der Parteisekretäre versucht, was fast immer zum Erfolg führte - überbetriebliche sozialistische Hilfeleistung war dann die Parole.

Die notwendigen Arbeitsleistungen wurden durch Ausnutzung der sogenannten Stillstandszeiten, bei den Wartungsgruppen erbracht. Hier war das Personal so vorgehalten, dass im Extremfall mehrere Störungen gleichzeitig bearbeitet werden konnten, was in der Praxis aber kaum vorkam. Die Anlagen wurden durch laufende Verbesserungen immer störfreier und dadurch war eine genügende Zeitreserve vorhanden. Durch die Mitarbeit der Arbeitsgruppen konnten aber auch die Konstruktionen den spezifischen Bedingungen besser angepasst werden.

Die zweite Aufgabe, die Weiterentwicklung der Fotodokumentation von Radarbildern wurde wie folgt gelöst:
Pentacon super

Zuerst habe ich mich um die Beschaffung von besseren Kameras bemüht.

Um diese Dokumentation qualitätsgerecht und über einen Zeitraum von mehreren Stunden automatisch durchzuführen, waren Kleinbildkameras mit einer Kassette zur Aufnahme von mindestens 15 Meter Filmmaterial und Motorantrieb erforderlich.

Diese Kamera vom Typ " PENTAGON SUPER ", ein Spitzenerzeugnis vom VEB " PENTAGON " in Dresden produziert und vom ersten deutschen Kosmonauten ( Siegmund Jähn ), im Weltraum getestet, war aber auf Grund ihrer technischen Parameter, vorwiegend für den Export bestimmt.

Da wir im Prinzip nur das Kameragehäuse als Träger für die Kassette und den Motorantrieb brauchten, haben wir in zähen Verhandlungen und unter Zuhilfenahme der oben genannten Einflussebene erreicht , dass uns nur die leeren Kamera-Gehäuse mit den unbedingt erforderlichen Filmtransporteinrichtungen geliefert wurden. Eine nicht unerhebliche Kosteneinsparung.
Mit Hilfe unserer Mechaniker, zwei ältere Herren in den 60er Jahren und "goldenen" Händen, haben wir dann die Baugruppen weiter verändert. Dabei wurden wir in dankenswerter Weise von den Kollegen des VEB Pentacon unterstützt. Durch Veränderungen des Aufnahmeformates erreichten wir ausserdem, das mit einer Kassette, etwa 20 Stunden Daueraufzeichnung ermöglicht wurde.
Tubus Die benötigten Weitwinkelobjektive wurden vom VEB " CARL ZEISS JENA ", ebenfalls durch persönlichen Einsatz beschafft - es war ja damals vieles nur für den Export verfügbar und ohne den Nachweis einer Dringlichkeit ( einer sogenannten LVO-Nummer = Landes-Verteidigungs-Objekt ) war meist nichts zu bekommen

Die Grundlagen zum Bau der Fotodokumentation waren nun geschaffen.

Nun musste die Technik an die vorhandenen Radarsichtgeräte angepasst und die Entwicklung der Steuerung und Überwachungseinrichtung erfolgen. Unsere Mechaniker bauten als erstes einen Kasten, der auf das Sichtgerät aufgesetzt wurde und die Kameraeinheit, sowie die Zifferanzeigeröhren zur Datum- und Zeitanzeige aufnahm. Über ein Okular (rechts oben und unten) konnte der Techniker den Bildschirm betrachten und die  erforderlichen Kontrollen vornehmen. Zur Einstellung der Helligkeit montierten wir noch einen Fotowiderstand auf einen Teil des Bildschirmes, der an einem Anzeigeinstrument eine Information über dieselbe lieferte. Mittels der Drucktasten konnte der Techniker den Filmtransport und die Anzeige der Uhrzeit, zwecks Kontrolle, auslösen.

Für die Einblendung des aktuellen Datum wurden an der zentralen Steuereinheit, 2 manuell einzustellende Schalter verwendet.
Der Techniker stellte am ersten Schalter das aktuelle und am zweiten, dass nachfolgende Datum ein. Die Umschaltung auf den zweiten, erfolgte automatisch um 24 Uhr. Irgendwann am Tag, stellte der diensthabende Techniker, an der ersten Schalteinrichtung ,das Datum des Folge-Tages ein, während die zweite noch das aktuelle Datum generierte. Um 24 Uhr erfolgte dann wieder die Umschaltung auf den ersten Schalter und so weiter.
Radarausschnitt Den periodische Weitertransport des Filmmaterials ( alle 5 Minuten ) leiteten wir von der Uhrenanlage ab.
Jeweils genau, zur Minute 0 und 5, wurde ein Steuersignal auf die Kameraeinrichtung gegeben und das belichtete Filmstück ( auf diesem waren nun alle Flugbewegungen innerhalb dieser 5 Minuten als punktierte Linien aufgezeichnet ) in die Kassette transportiert. Gleichzeitig wurde der neue Filmausschnitt für die Aufnahme freigegeben.

Mit dem Steuersignal wurde zugleich die Anzeige der aktuellen Uhrzeit und des Datum, kurzzeitig eingeschaltet und im unteren Teil des Bildes als Zahleninformation dargestellt. Damit war der Beginn der Aufzeichnung Exakt festgelegt. Alle nachfolgenden Ereignisse konnten somit in diesem
5-Minutenbereich zeitlich exakt zugeordnet werden.

Durch die Ableitung aller Steuersignale von der Zentraluhr, war damit die geforderte zeitliche Synchronität zwischen allen Dokumentationseinrichtungen gewährleistet. Dieses war besonders bei der Auswertung von mehreren schweren Unfällen, von denen die INTERFLUG besonders in Schönefeld betroffen wurde, von unschätzbarem Vorteil.
Diese Technik war bis weit in die 70-er Jahre in Betrieb und wurde dann durch die Digitalisierung der Radarinformationen und deren Aufzeichnung auf Magnetband abgelöst.

Durch die Realisierung dieser beiden Hauptaufgaben und einer Vielzahl  kleinerer Vorhaben, konnte ich die Betriebsleitung überzeugen, dass die Schaffung einer ständigen Einrichtung zur Lösung von innerbetrieblichen und spezifischen Problemen der Flugsicherung sinnvoll wäre.

Vorhanden war ja die relativ gut  personell und materiell ausgerüstete Gruppe Mechanik/Montage, mit der ich schon einige, siehe oben, technische Einrichtungen realisiert hatte. Und zum anderen konnten die bereits erwähnten Zeitreserven der Wartungsgruppen genutzt werden.

So wurde ich zum " RATIONALISIERUNGSINGENIEUR" ernannt und hatte dann in Abstimmung mit der Flugsicherung die gesamte "Neuerertätigkeit" zu koordinieren, die Materialbeschaffung und Lagerung zu überwachen, sowie in Verbindung mit dem Wartungspersonal und der Gruppe Mechanik/Montage, eine Vielzahl von flugsicherungstypischen Projekten zu realisieren.

Darunter waren solche wie :

1.Automatische Überwachung der Ausstrahlung der NDB im Umkreis des Flughafens und Anzeige von Fehlfunktionen
2.Übertragung der Kontrollstrips auf die Monitore der Flusi-Arbeitsplätze
3.Grossichtanzeige für die Uhrzeit

Hier kommen für technisch Interessierte Leser einige Einzelheiten zu obigen Projekten:

Zu 1.
Hierfür haben wir den Frequenzbereich von Taschenradios für Mittelwellenempfang so geändert, dass sie im Bereich von 150-250 KHz abgestimmt werden konnten. Ebenfalls konstruiert wurden aktive Antenne mit einem Ferritstab und Verstärker. Beide Baugruppen wurden in einem Gebäude auf dem Flughafengelände installiert und die Antennen auf die jeweiligen Sender ausgerichtet. Dieses war notwendig , um einen störungsarmen Empfang zu gewährleisten. Über eine Kabelverbindung wurde das Ton-Signal zur Kontrollstelle übertragen und optisch angezeigt. Eine elektronische Speichereinrichtung überwachte laufend das ankommende Signal und löste bei dessen längerer Unterbrechung ein Alarmsignal aus. Um Auswertefehler zu eliminieren, konnte der Techniker zusätzlich die Aussendung akustisch abhören.

Zu 2 .
Die Grundidee von zwei Flugsicherungkontrollern war, die Kontrollstrips mittels einer Fernsehkamera auf alle Arbeitsplätze zu übertragen. Die bildliche Darstellung auf den vorhandenen kleine Monitoren war aber ungenügend, so dass der Strip in 2 Hälften geteilt und diese untereinander angezeigt werden sollten. Das sollte mittels eines Spiegelsystems erreicht werden. Ich habe dann das Spiegelsystem konstruiert, die Kamera mit einem Weitwinkelobjektiv, sowie entsprechender Beleuchtung ausgerüstet und das ganze mechanisch in einem Einschub aufgebaut.

Zu 3.
Im Rahmen einer Grossveranstaltung in Berlin, es waren die "Weltfestspiele der Jugend und Studenten", sollte am Abfertigungsgebäude eine über mehrere hundert Meter zu erkennende Uhrzeitanzeige realisiert werden.
Heutzutage kein Problem - aber damals !
Da die Steuerspannung durch die zentrale Uhrenanlage der Flugsicherung bereits vorhanden  und relativ einfach für eine Sieben-Segmentdarstellung zu codieren war, musste nur noch die Anzeige selbst konstruiert werden. Hierfür wurden in Kooperation mit der Elektroabteilung , 4 Stück je 2 Meter hohe Anzeigen gebaut und an einem Gebäude montiert. Die einzelnen Segmente wurden mit mindestens 5 Glühlampen bestückt und über Starkstromrelais entsprechend der Uhrzeitdarstellung eingeschaltet. Am Tage wurde die Anzeige mit voller Spannung - nachts nur mit halber Leistung betrieben.
Die Zeit , im Minutentakt wechselnd, war mühelos bis auf 1 km erkennbar. Leider war die Qualität der Glühlampen ungenügend und damit deren Ausfallrate so hoch,  dass die Anzeige zwar während des Festivals genutzt, danach aber baldigst wieder demontiert wurde.

In den Sommermonaten mussten wir  zusätzlich den Saisonbetrieb auf dem Flugplatz in Heringsdorf, auf der Insel Usedom, mit Flugsicherungstechnik absichern. Dieser Flugplatz wurde normalerweise nur von der Armee benutzt, in der Saison aber auch für die zivile Luftfahrt für Urlaubsflüge zur Verfügung gestellt.
PAR 8 PAR 8 Antenne
PAR 8 innen
Ein Tower mit entsprechender Sende-Empfangstechnik war vorhanden. Die Navigationsanlage, bestehend aus einem Einflugzeichen, musste aber von uns temporär aufgestellt und bedient werden. Diese transportable Navigations-Sendeanlage wurde dann von den Mitarbeitern der Gruppe Mechanik-Montage aufgebaut und durch unsere Mitarbeiter bedient.

Aus Kostengründen war jedoch nur ein Techniker, Ablösung jeweils im Wochenrytmus, vorgesehen, der neben der Funk- auch die Fernmeldetechnik
( tagsüber war zusätzlich ein örtlicher Fernmeldetechniker verfügbar ) zu betreuen hatte. Mir fiel in einem Jahr die unangenehme Aufgabe der Erstinbetriebnahme zu.
Die gesamte Funk- und Fernmeldetechnik war von unserer Gruppe Mechanik-Montage zwar ordnungsgemäss installiert und betriebsfähig, nur die Fernschreibverbindung nach Schönefeld noch nicht durchgeschaltet. Diese Aufgabe hatte  die örtlichen Post- und Fernmeldezentrale zu realisieren.
Am Vortag der Aufnahme des Flugbetriebes war bis zum Abend immer noch keine Verbindung vorhanden und der Fernschreiber, von dem ich nur wusste, das er eventuell wie eine Schreibmaschine funktionieren wird, zeigte keine Lebenszeichen. Ich wurde leicht nervös und rief dann alle 2 Stunden bei der zuständigen Poststelle an. Die Kollegin erklärte mir dann immer wieder mit nordländischer Gelassenheit, dass das alles in Ordnung geht.

Endlich so gegen 2 Uhr Nachts, ratterte der Kasten los und gab folgenden Text von sich:

............Kaiser Franz jagt plötzlich im total verwahrlosten Taxi quer durch Oberbayern........

Bis ich begriffen hatte, dass das ein Prüftext ist, vergingen einige Schrecksekunden, bis ich unter Einsatz des  "Adlersuchsystem " ( Taste suchen und raufhauen ), Schönefeld mitteilen konnte, dass alles in Ordnung ist. Ein paar Stunden Nachtruhe und dann kam gegen 06.00 Uhr der Kollege vom Wetterdienst und bediente den Klapperkasten ordnungsgemäss.

Eigentlich war dieser Einsatz eine relative Schonzeit für die Nerven - maximal 8 Flugbewegungen am Tag - aber auch relativ langweilig.
Die Technik war kaum defekt und die Ostsee mehrere Kilometer entfernt – an ein Strandleben war somit nicht zu denken.

Trotzdem war dieser Job relativ begehrt, da man dem Trubel in Schönefeld entfliehen konnte.

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